Archive for Mai, 2009

Endspiel, King of Queens und Tatort – Versuch, die Kulturindustrie zu verstehen

26. Mai 2009

Vortrag und Diskussion mit Gerhard Scheit

Während Becketts Endspiel die Deformationen vorführt, „die den Menschen von der Form ihrer Gesellschaft angetan werden“ (Adorno), üben die US-Sitcoms durch die Deformationen hindurch, die sie affirmieren, zivilisatorische Standards ein, wie sie auf einer bestimmten Entwicklungsstufe kapitalistischer Warenproduktion jeweils möglich sind. Selbst diese Standards noch zu vergiften, gelingt vielleicht am wirkungsvollsten dem deutschen Tatort. Jedenfalls wäre die Kritik des Staats auf dem Gebiet der Kulturindustrie erst noch zu eröffnen.

Gerhard Scheit ist freier Autor und lebt in Wien.

am Donnerstag, den 25. Juni 2009 um 19.30 Uhr
im Hörsaal 17 (Englisches Seminar, Universitäts-Hauptgebäude), Bonn

Geschmack und Idiosynkrasie – Kulturindustrie als Liquidation ästhetischer Erfahrung

25. Mai 2009

Vortrag und Diskussion mit Magnus Klaue

Niemals, so mag man angesichts der Flut von Publikationen zum Thema glauben, gab es so viele Möglichkeiten „ästhetischer Erfahrung“ wie heute: Nachdem die bürgerliche Unterscheidung von Hoch- und Massenkultur, an der die Exponenten früher Kritischer Theorie noch festhalten wollten, glücklich überwunden ist, können sich Akademiker an Jazz und Punk erfreuen, während dem Mann von der Straße dank populärphilosophischer Handreichungen Kafka oder Beckett sich mühelos erschließen. Die Euphorie über die TV-Serie „Buffy“ verschmilzt Linksradikale und Konservative (in Personalunion von Dietmar Dath) zur postpubertären Großfamilie. Theoretische Klammer zur Legitimation dieser Scheindemokratisierung ist ein anti-universalistischer und relativistischer Begriff ästhetischer Erfahrung, der in Wendung gegen Kants Theorem ästhetischer Urteilskraft den objektiven Erfahrungsverlust, wie ihn die frühe Kritische Theorie als Movens des Umschlags von Fortschritt in Barbarei und Symptom faschistischer Subjektkonstitution anlysiert hat, als „Befreiung“ unterdrückter „Differenzen“ und „Intensitäten“ abfeiert. Der Wahrheitsanspruch des Geschmacksurteils, wie ihn Kant entfaltet und begründet, gilt aus dieser Perspektive als schlecht normativ: Wo der Erfahrungsberiff zugunsten multipler „Erfahrungen“ zerfällt, erodieren auch die Bedingungen der Möglichkeit ästhetischer Wertung.

Anhand einiger Texte zur ästhetischen Erfahrung, die sich auf Adorno und Benjamin beziehen (Hans Robert Jauß, Andreas Huyssen, Martin Seel u.a.), möchte der Vortrag der Frage nachgehen, was die paradoxe Gleichzeitigkeit von Verallgemeinerung und Liquidation „ästhetischer Erfahrung“ mit der Totalisierung der Kulturindustrie zu tun hat. In Anlehnung an Adornos Begriff der Idiosynkrasie, der den Konnex zwischen ästhetischem und moralischem Urteil betrifft, soll dann begründet werden, weshalb die Liquidation eines universalistischen Erfahrungs- und Geschmacksbegriffs, wie er bei Adorno wohl zum letzten Mal verbindlich formuliert worden ist, als Symptom für gesellschaftliche Regression verstanden werden muß. Die Fähigkeit zur Idiosynkrasie, die nicht nur die Fähigkeit meint, sich zu ekeln, sondern auch die Fähigkeit zum Glück, verbindet Adorno gerade mit unter „Linken“ verrufenen Exponenten der Moderne wie George und Rudolf Borchardt, deren Verdammung als „elitär“ längst Konsens geworden ist. Ein Konsens, in dem sich kein kritisches Bewußtsein, sondern der Haß auf eine Kunst artikuliert, die die Menschen nicht in ihre partikularen „Erfahrungen“ einschließen möchte, sondern ihnen zumutet (und zutraut!), was in der „erfahrungshungrigen“ Kulturindustrie ferner rückt als je: die Erfahrung von Wahrheit und Freiheit.

Dienstag, den 30.06.2009 um 19.30 Uhr – Raum C in der Studiebühne (Universitätsstr. 16a), Köln

Der Eintritt ist frei.

Eine Veranstaltung der Gruppe Georg Elser in Zusammenarbeit mit dem SprecherInnenrat der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln.

Mit Judo gegen Wodka Bruno, Miethai Zinse und Dr. Mubase

23. Mai 2009

TKKG – ein postnazistischer Jugendkrimi

Vortrag und Diskussion mit Jean-Philipp Baeck und Volker Beeck

In Buch- und Hörspielform macht im deutschen Jugendkrimi „TKKG“ der Bandenchef Tarzan seit 1979 seine Gefolgsleute durch geistige und körperliche Überlegenheit überflüssig. Gottgleich ist er für die jugendlichen Leser weniger Identifikationsfigur als virtueller Führer. Zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung löst Tarzan seine Fälle mit Hilfe des Faustrechts, verprügelt die, durch Hakennasen oder fremde Namen gekennzeichneten Dealer und andere Bösewichte. Der Beitrag zeigt, inwiefern TKKG Prototyp eines postfaschistischen Kinderkrimis ist und geht auf den Subjektverfall in der postfaschistischen Gesellschaft, anhand des Geschlechterverhältnisses zwischen Gabi und Tarzan, den rassistischen und antisemitischen Bedrohungszenarien einer Welt voll dunkler Machenschaften ein, in der sich die Masse nur durch Anlehnung an einen Führer wie Tarzan behaupten kann.

am Dienstag, den 9. Juni 2009 um 19.30 Uhr – Hörsaal 17 (Englisches Seminar, Universitäts-Hauptgebäude)

Nationales Vergangenheitsrecycling – Die postnazistische Allianz der Generationen im deutschen Kollektiv

23. Mai 2009

Die postnazistische Allianz der Generationen im deutschen Kollektiv

Vortrag und Diskussion mit Sonja Witte

‚Aufarbeitung deutscher Geschichte’ verbindet derzeit als moralischer Bezugspunkt nationale Ideologie mit der Idee einer Versöhnung der Generationen. Die Referenz auf die deutschen Verbrechen, auf Auschwitz, ist dabei zentral. Neben die fortwährende Stilisierung der Deutschen als Opfer tritt seit den 90ern die Integration von Auschwitz in die kulturindustrielle deutsche Erinnerungsarbeit als gesellschaftlichem ,Kitt‘, in der die Nation – und zwar ohne die Shoah abzuspalten – zum kollektiven Objekt der Identifizierung wird. Die neue Unbefangenheit im Umgang mit der Geschichte, in der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der eigenen Großeltern, der Wunsch, bei der Weltmeisterschaft auch einmal unbeschwert „schwarz-rot-geil“ zu sein, macht die dritte TäterInnengeneration zum Protagonisten des postnazistischen Nationalgefühls.

Der Vortrag stellt die von der Gruppe kittkritik in dem Sammelband „Deutschlandwunder –Wunsch und Wahn in der postnazistischen Kultur“ (erschienen 2007 im Ventil-Verlag) entwickelten Thesen zur Verknüpfung der gegenwärtigen kulturindustriellen Anpassung und Umwandlung von Elementen des Nationalsozialismus mit subjektiven unbewussten Wünschen und Abwehrstrategien im Verhältnis zwischen Tätergeneration, Kindern und Enkeln anhand von Film- und Musikbeispielen dar.

Sonja Witte ist Mitherausgeberin des Sammelbandes „Deutschlandwunder – Wunsch und Wahn in der postnazistischen Nation“ [www.kittkritik.net], außerdem aktiv bei den „les madeleines“ [www.lesmadeleines.net] und der Zeitschrift „Extrablatt – Aus Gründen gegen fast Alles“ [www.extrablatt-online.net].

am Dienstag, den 18.06.2009 um 19.30 Uhr – Probebühne in der Studiobühne (Universitätsstr. 16a), Köln-Süd

Zwischen allen Stühlen – Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer

9. Mai 2009

Zwischen allen Stühlen - Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer

Zwischen allen Stühlen - Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer


Ein Film von Daniel Binder, Mary Kreutzer, Ingo Lauggas, Maria Pohn-Weidinger, Thomas Schmidinger
1938 flüchtet Karl Pfeifer als Zehnjähriger mit seiner Familie aus Österreich, zunächst nach Ungarn. Vier Jahre später erreicht er Palästina mit einem der letzten Kindertransporte des Hashomer Hatzair. Er lebt im Kibbuz, kämpft im Israelischen Unabhängigkeitskrieg und kehrt Anfang der 50er Jahre nach Österreich zurück.
„In Österreich angekommen musste ich bei der Staatspolizei vorsprechen… Heimkehrer seien in Österreich nur die, die in der Wehrmacht bzw. in der Waffen-SS gedient haben.“
Der Film begleitet Karl Pfeifer an zentrale Orte seines Lebensweges. Orte, an denen er antisemitischen Angriffen ausgesetzt war. Orte, an denen er seine politischen Einstellungen schärfte. Seinen Lebenswegen zu folgen bedeutet jedoch auch den Bahnen und Verstrickungen des Antisemitismus jeglicher Couleur zu folgen.
Karl Pfeifer selbst nimmt an der Vorführung im Kult 41 teil und stellt sich dort gern den Fragen und Beiträgen des Publikums.

Filmvorführung mit Karl Pfeifer

Am 28. Mai. 2009 um 19:00 Uhr im Kult41 (Hochstadenring 41, Bonn Nord)